Alleine als Frau reisen? Niemals! Oder doch?

Vor vielen Jahren – genauer gesagt vor etwa 10 – spürte ich die Sehnsucht, mehr vom Leben haben zu wollen, mir mehr erwarten zu dürfen, freier und unabhängiger zu sein und ein Aspekt davon war das Reisen. Ich wollte mir die ganze Welt ansehen!

Damals war ich Single mittleren Alters und die meisten aus meinem Bekanntenkreis hatten Familie mit kleinen Kindern oder waren in einer Beziehung. Wenn ich Glück hatte, fand sich ein Single unter ihnen, mit dem ich auf Urlaub fahren konnte oder ich machte eben Familienurlaube mit.

Prinzipiell ja schön und gut, aber ganz ehrlich gesagt nicht das Wahre. Zwar sieht man etwas von der Welt, ist an schönen Orten, hat Menschen um sich, die man mag, aber so richtig Urlaub machen, wie man es selber am liebsten tun würde, macht man nicht.

Entweder muss man sich arrangieren, anpassen, Kompromisse schließen oder ist an familienfreundlichen Orten, die man als Single jetzt nicht unbedingt ansteuern würde. Was aber nicht bedeutet, dass diese Urlaube nicht prinzipiell schön waren. Sie waren halt nicht maßgeschneidert auf mich und meine Wünsche. Das ist nicht bös gemeint und kann jeder sicher nachvollziehen.

Ich googelte schließlich, weil ich diesen Zustand ändern wollte, zum Thema „Frauen alleine reisen“ und fand Gruppen- oder Singlereisen – aber das war so gar nicht meins. Doch dann stieß ich auf einen Blog einer Alleinreisenden. Den fand ich sehr spannend und ich fragte mich, ob das auch etwas für mich wäre und träumte vor mich hin.

Der Gedanke aber, so ganz alleine in einem fremden, fernen Land, wo ich niemanden habe, wo ich die Landessprache nicht kann und noch dazu, wo mein Englisch etwas eingerostet ist, hat mir ein klammes Gefühl bereitet. 

Abgesehen von Situationen, in die ich schon geraten bin, wo Männer aufdringlich waren, stellte ich mir die Nahrungsaufnahme mühsam vor. Ich würde nicht ständig Fastfood essen sondern gutes Essen in Restaurants genießen wollen, aber wenn man alleine als Frau dasitzt, haben Männer oft das Bedürfnis, ihr Gesellschaft leisten zu wollen und ständig abwehren ist anstrengend. Besonders, wenn man wirklich alleine sein will. Auch stellte ich mir die Blicke der anderen unangenehm vor, die einen beobachten, weil man (bzw. frau) alleine isst.

Ach, ich fand diese Frau so mutig! Viel mutiger als mich! Ich dachte, dass ich das niemals können würde. Aber wenn sie das kann, dann kann ich das auch, oder? Mein Leidensdruck – mir die Welt nicht so ansehen zu können, wie ich es möchte – wurde größer als meine Angst.

Mir ging meine Ängstlichkeit wirklich auf die Nerven! Und ich beschloss, zu üben.

In meiner eigenen Stadt. Ich wollte mich an dieses Thema herantasten. Ich muss ja nicht gleich in ein fernes Land reisen. Ich entschied mich für Babyschritte.

Ich tat so, als wäre ich eine Touristin in meiner eigenen Stadt. Ich machte Sightseeing und besuchte Ausstellungen und Museen. Und kam drauf, dass das alleine viel besser ist als zu zweit!

Ich musste keine Rücksicht nehmen, ob jemandem schon zu langweilig ist, wo es mich aber total interessiert und ich länger bleiben will. Welche Erkenntnis! Wenn man alleine ist, ist man auch nicht abgelenkt – was ich für schöne Dinge in den alten Gassen der Innenstadt entdeckt habe! Ich ging stundenlang durch die Stadt und lernte meine Geburtsstadt erst so richtig kennen und verliebte mich regelrecht in sie!

Also was das betrifft, also dass es alleine langweilig sein oder ich mich unsicher fühlen könnte, stimmt nicht. Weil mir sagte mal jemand auch, dass es in jeder anderen Stadt genauso ist wie in meiner eigenen. In einer Stadt fällst du nicht auf, wenn du alleine bist. Das hatte ich immer im Kopf und ob ich jetzt in meiner Stadt alleine unterwegs bin oder in einer anderen, ist ja wirklich egal.

Also das klappte ja schon mal sehr gut. Ich war stolz auf mich.

Dann ging es noch ums Essengehen. Das bereitete mir wirklich starkes Herzklopfen. Ich habe mich noch nie allein in ein Lokal gesetzt. Ich las aber den Tipp, etwas zum Lesen mitzunehmen, damit man beschäftigt ist und nicht vor sich hinstarren muss. Ich schnappte also ein Buch und setzte mich in ein Restaurant, in dem ich schon einmal war und die Atmosphäre sehr locker und angenehm empfand.

Und: es hat nicht weh getan! Ich hatte auch später, als ich schon mehrere Male allein essen war, das Gefühl, dass die Kellner viel aufmerksamer und freundlicher sind.

Ich habe tatsächlich das erste Mal allein in einem Restaurant gegessen und bin nicht daran gestorben! Was für ein Erfolg! Die größte Hürde war genommen!

Ich übte weiter, auch mit nur einem Getränk zwischendurch – und es ging immer gut!

Und das Tollste war: manchmal haben sich Frauen zu mir an den Tisch gesetzt, sodass ich dann sogar eine nette Zeit und gute Gespräche hatte!

Ich war gewappnet. Abendessen traute ich mich zwar noch immer nicht, weil das eine ganz andere Atmosphäre ist, aber ich könnte mir ja für abends etwas zum Mitnehmen besorgen oder selber kochen, weswegen ich mich auf späteren Reisen immer für Unterkünfte mit einer Kochgelegenheit entschied.

Es dauerte nicht mehr lange und ich begab mich auf meine erste Reise ganz alleine als Frau – die zwei Monate dauerte! Und es war so toll, dass ich gar nicht mehr zurückkommen wollte!

Denkst du auch darüber nach, wie es wäre, mal ganz alleine loszuziehen? Dann fang auch erstmal mit Babyschritten an. Mach alles, was du noch nie alleine gemacht hast, wie z.B. Zugfahren.

Wenn du in keiner Großstadt wohnst, mach einen Tagesausflug in die nächste Stadt. Schritt für Schritt, bis du bemerkst, dass es gar nicht so schlimm ist, wie du zunächst gedacht hast.

Eine Frau hat mich mal ganz aufgeregt gefragt, wie sie denn in der Stadt, wo sie hinfahren möchte, ein Ticket für die Öffis lösen soll. Sie würde sich sicherlich nicht auskennen und hatte große Angst davor. Ich sagte ihr, erstens sind diese Automaten nicht kompliziert und zweitens bist du ja nicht alleine dort – du kannst immer jemanden fragen, der dir dann gerne behilflich ist.

Wir stellen uns immer vor, wir sind ganz allein unserem Schicksal ausgeliefert. Sind wir aber nicht. Ich habe auf meinen Reisen nur hilfsbereite Menschen kennengelernt.

Dieses Stück Freiheit, das du gewinnst, kann dir keiner nehmen. Und es erweitert deinen Horizont und du gewinnst an Kraft! Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie es war, von diesen Ängsten ausgebremst und eingeengt zu werden!

Und: ich habe auf meinen Reisen immer wieder alleinreisende Frauen kennengelernt.

Wir werden immer mehr! 🙂